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CAMBODIA- Der abgelegene Nordosten des Landes
Geschrieben von: Lutzi   
Freitag, 20. Januar 2006 um 09:09

Schon am Grenzübertritt merkt man einen deutlichen Wechsel. Die letzten Meter in Laos sind übelste Rüttelpiste, so schmal, dass man hier keinen Durchgangsverkehr vermutet und irgendwann tauchen vor einem zwei Schlagbäume auf. Entgegen den Infos in den Guidebooks bekommt man hier das Cambodia-Visum ohne bürokratischen Aufwand rasch und zügig ausgestellt. Gleich nach der Grenze sieht man, dass das Land gerade viel Geld in den Ausbau des Straßenbaus steckt. Unter chinesischer Leitung wird gerade ein breiter Highway gebaut und soll noch vor der kommenden Regenzeit geteert sein. Bis dahin dominieren Waldbrände neben der Schneise.
Tja, nach einem Disput mit Peter verfehlen wir uns und wir radelen getrennt nach Stung Treng, der ersten kambodschanischen Stadt. Da es bereits dunkel wird, finde ich nicht den richtigen Abzweig und lande an einer Brückenbaustelle über den breiten Kok-Fluss, der in der Stadt in den Mekong mündet. Die Arbeiter setzen mich jedoch nach einigem Verhandeln mit ihrem kleinen Boot über und in der kleinen, übersichtlichen Stadt finde ich Peter in einem der Restaurants wieder – natürlich. Nach dem langen Ritt sind wir beide sehr hungrig. Da wir zu lange dort sitzen und es uns gut gehen lassen, sind wir zu spät dran in einem Hotel einzuchecken. So bleibt nur noch der Eingangsbereich, wo wir das Innenzelt aufstellen um uns vor den Moskitos zu schützen.
Auch hier wollen wir eine Runde drehen und so schlagen wir den Weg in den abgelegenen Nordosten des Landes, der Rattanakiri-Provinz ein. Banlung - die seit rund acht Jahren boomende Stadt - begrüßt uns mit Staub!! Wahnsinn, schon auf der Piste dorthin sehen wir aus wie Räuber, Staubmasken vor dem Mund, Sonnenbrille und Sonnenmütze geben ihr Übriges. Auch in der Stadt ist alles von einer zentimeterdicken roten Staub- und Sandschicht überdeckt. Trotzdem genießen wir den lebhaften Khmermarkt, das von Laos doch unterschiedliche Essen mit fremdartigen Köstlichkeiten an den Foodstalls, z.B. riesige Crepes mit Sojasprossen, Shrimps, Salat und sonstigem Undefinierbarem, Baguettes und super Fruchtshakes. Nahe Banlung ist ein Kratersee inmitten von großen Urwaldriesen mit erstaunlich warmem, klaren Wasser, worin wir endlich mal wieder richtig schwimmen können.

Bevor wir uns auf die Runde durch den Nordosten des Landes aufmachen, lasse ich mich von einem smarten Jungen in die Geheimnisse des dort ansässigen Tompoun-Stammes einführen, und er erklärt mir ihre Lebensweise und ihre Ansiedlung, samt Meetinghaus, Friedhof, traditionellem Weben und Heilpflanzen.
Die außergewöhnliche Runde verbindet die nordöstlichste Provinz Ratanikiri mit der südlicheren und sehr spärlich besiedelten Mondulkiri-Provinz (hier leben nur zwei Menschen pro Quadratkilometer). Nur während der Trockenzeit ist diese Verbindung mit dem Rad möglich. Ideal, die vorherrschende Trockenzeit ist wie der Herbst bei uns, die großen Blätter des Laubwaldes sind so gut wie alle abgefallen, der Nordwestmonsun treibt nur einige dunkle Wolken von dem nahen Vietnam herüber, die Flüsse sind fast ausgetrocknet. An einer dieser Stellen schlagen wir unser Camp auf, die Wasserreste genügen, um den allgegenwärtigen Staub! abzuwaschen und Wasser zum Trinken und Kochen abzufiltern. Die großen Bambusbüsche, die immer Wasserstellen ankündigen sorgen nachts für einen etwas unheimlichen Sound und das Campfire vertreibt die lästigen Moskitos. Außerdem sind wir weit genug von den Buschfeuern entfernt, die das mannshohe, braungelbe Gras abfackelt - die sicher einfachste und effektivste Methode. Dass dabei etliche andere alte Bäume zum Opfer fallen, stört hier niemanden. Nachts herrscht regelrechter Verkehr. Alte Trucks, vollgeladen mit Reis kämpfen sich über die Piste. Hätte ich gewusst, dass ich fast 50 km durch feinsten Beachsand (wo ist das Meer?) radeln bzw. schieben werde, hätte ich mir das vielleicht doch anders überlegt. Uns bleibt nichts anderes übrig als zu schieben, einige Meter mit Volldampf in der nächsten Sandmulde auszubalancieren, abzusteigen und wieder zu schieben. Da dieser Abschnitt Teil des Ho-Chi-Ming-Pfades und somit eines der heiß umkämpften Gebiete im Vietkong-Krieg war, sind wir sehr vorsichtig wegen noch übriggebliebenen Landminen und weichen nicht von der sichtbaren Piste ab.

Zurück in der Zivilisation werden wir in dem abgelegenen Dorf von unglaublich herzlichen Khmer empfangen. Laosfeeling kommt auf, wir stärken uns mit 'sugar-cane-juice' (! köstliches gepresstes Zuckerrohr) und kaltem Reis mit Gemüse und Fleischeinlage (was auch immer das ist). Sonst sehen die Leute erschreckend ungesund aus - kein Wunder, denn Gärten gibt es hier so gut wie keine. Wir bemerken, dass viele internationale Gelder in diese Region gesteckt wurden; neue Schulhäuser und Grundwasserbrunnen wurden gebaut, aufgestellte Aufklärungsschilder bezüglich Hygiene und Gesundheit finden wir in jeder Häuseransiedlung.

Auf der Suche nach einer Schlafmöglichkeit, werden wir im Vorbeiradeln spontan zu einer Hochzeit geladen und wir sind überrascht, wie edel und elegant v.a. die jungen Damen hier gekleidet sind - fernab der (7000 Einwohner! zählenden Provinzhauptstadt Sen Monorom). Natürlich schlagen wir uns mit dem köstlichen Essen die Mägen voll und trinken Bier bis es schon fast dunkel ist. Deshalb muss ziemlich schnell eine geeignete Schlafmöglichkeit her. Gut, dass die Dörfer hier ihre Meetinghäuser der Partei (vorzugsweise Cambodians People Party - CPP! - sehr großzügig bauen. Es ist quasi immer das beste Holzhaus und häufig unbewohnt. Wir fragen die zuständigen Einheimischen und schwupps haben wir eine windgeschützte, heimelige Unterkunft.
Die Leute beginnen ihren Tag mit dem Krähen der Gockel. So wärmen sie sich am morgendlichen Feuer, Ochsenkarren ziehen bereits aufs Feld, Jugendliche kommen vom Fischen und für uns heißt es weiterradeln auf der Holperpiste bis wir schlagartig auf einen neuen Dschungelhighway stoßen. Die Piste wurde geradeaus durch den Wald geschlagen, (wo sie endet konnten wir nicht herausfinden), und so sind die letzten 70 km fast ein Kinderspiel, wären da nicht die vielen, gemeinen, knackigen Anstiege nach Sen Monorom, das auf rund 700 Metern liegt. Nach all den Flachlandkilometern eine ungewohnte Anstrengung. Das Provinzstädtchen liegt inmitten von abgerodeten Hügeln, manche Pinienansammlung und das hohe Gras verleiht eine besondere Stimmung.
Doch schon bald sind wir wieder von einem sehr beeindruckenden Urwald eingefangen (mit der schönste, den ich bisher gesehen habe), sogar Affen und viele Vögel können wir entdecken. Unser Nachtlager auf einem der Trampelpfade in das Dickicht zeigt uns auf, dass trotz dem ausgeschriebenen Naturschutzgebiet fleißig Holz eingeschlagen wird. Selbst nachts hören wir die Motorsägen und so bestätigt sich der Verdacht von illegalem Holzhandel über die nahe (nur rund 15 km entfernte) vietnamesische Grenze.

Auf der folgenden Logging Road (Holzerroute) bis zum Mekong wird das Ausmaß klar. Bäume sind selten, entlang der Strasse haben sich die Khmer niedergelassen, Waldbrände gehören zur Tagesordnung, Schatten gibt es keinen, aber die Regierung ist nicht an einer Wiederaufforstung interessiert. Immerhin haben wir den Eindruck, dass die Leute hier wesentlich gesünder aussehen und besser genährt sind. Die Häuser sind so gut wie alle aus Holz und in den letzten fünf bis sechs Jahren entstanden (wie wir dem Datum am Dachgiebel entnehmen können). Viele Touristen kommen in dieser Gegend wohl nicht vorbei, wenn wir die erstaunten, aber freundlichen Blicke richtig deuten.

In Chlong, das erste Dorf, welches wir am Mekong erreichen, haben wir Glück. Unser Guesthouse wird von Khmer mit chinesischer Abstammung geführt und noch im Vorhof haben wir die erste Bierdose in der Hand. Wir stoßen mit den Eigentümern und geladenen Freunden auf das Chinesische Neujahr an: "Happy China - Good Luck - Cheers!" Zwei junge Kambodschaner sprechen zudem exzellent Englisch und wir haben einen interessanten Abend. Am folgenden Morgen werden wir von der Dorfjugend geweckt, die mit ihrem Dragondance von Haus zu Haus ziehen, um Dämonen auszutreiben. Auch auf dem Markt ist man überrascht Touristen zu sehen, die zudem ihr Khmeressen köstlich finden.

Hier trennen sich die Wege von Peter und mir, da ich nicht auf der Hauptstrasse nach Siam Reap radeln möchte. Die folgenden 80 km gen Süden nach Kompong Cham, immer der Mekonguferstrasse folgend, ist ein wahrer Genuss. Haus an Haus reiht sich hier aneinander, was für mich heißt: 80 km grüßen, winken, grüßen - Hello - Goodbye - Goodbye - Hello. Die meisten Leute sind Farmer und bringen eben riesige Ladungen frisch geerntete Tabakblätter ein. Die Sonntagsbeschäftigung der Familien sieht dann so aus: man sitzt im Kreis inmitten der großen Blätter, spießt sie auf Holzstecken auf, die dann wieder auf den Ochsenkarren geladen und zum Trocknen gebracht werden. Allgegenwärtig sind die voll beladenen Ochsengespanne und Pferdeeinspänner.
Sobald ich einen Stop einlege, bin ich alsbald umringt von Leuten und immer findet sich ein Jugendlicher, der gerade Englisch lernt und froh ist, sein Wissen anwenden zu können. Ob in Dörfern, beim Bananenkauf, beim Maiskolbenessen, beim Wasser Nachfüllen, am Wat Hanchey (einem super Aussichtspunkt über dem Mekong), oder Jungs, die mich kilometerweit mit dem Motorrad begleiten und in Gespräche verwickeln, am Fruitshake-Stand an der Ecke, wo ich durchaus auch sehr emanzipierte junge kambodschanische Frauen antreffe - einfach großartig.

...ein paar weitere, ungeordnete Eindrücke:

·        Mobilfunkmasten künden von fern die Dörfer an

·        Fernseher in Restaurants - Hauptattraktion schon zum Frühstück

·        meist 5-7 Kinder in einem Haushalt

·        Investition in Bildung - wer es sich leisten kann, nimmt Englischkurse, manche wachsen auch in einem Kloster auf, da die Familie die Highschool oder gar ein weiteres Studium nicht bezahlen kann

·        Jahrmarkt zum chinesischen New Year: Hauptattraktion sind die tausende Luftballone, die mit Sticker zum Platzen gebracht werden müssen, oder Glücksrad und Tombola mit 1-Dollar-Noten als Gewinn

·        frittierte Heuschrecken und Spinnen

·        Affen als Haustiere...

Wie gesagt: da ich dem Verkehr auf der Hauptverkehrsader entgehen will, bin ich mit dem Bus in Siam Reap angekommen und werde mir in den nächsten Tagen Zeit für die Tempelwelt um Angkor Wat nehmen.